Nachdem ich mein ganzes Leben lang alles gegessen hatte und damit absolut zufrieden war, beschloss ich mit 28 Jahren Vegetarierin zu werden. Ein halbes Jahr später entschied ich mich für eine komplett vegane Ernährung. Es begann aus Umweltgründen. Danach wurde mir das Tierleid wichtig und schlussendlich kam es mir ganz gut entgegen, dass ich für meine inzwischen entwickelten Essstörung einen Großteil aller Nahrungsmittel vermeiden konnte. Der vegane Lebensstil fühlte sich toll an: ich genoss dieses Essen. Es fühlte sich gesünder an, und ich tat gleichzeitig keinem Lebewesen etwas zuleide.
Nach anderthalb Jahren bekam ich erste Beschwerden. Wenig Energie, schlechter Schlaf, ein fahler Teint. Meine Periode blieb aus. Egal, was ich tat, ich war immer müde und hatte ständig Hunger. Keine drei Stunden konnte ich ohne Essen durchhalten. Für alle Fälle hatte ich immer Nüsse oder Energieriegel dabei.
Im Oktober 2018 schenkte mir meine Mutter einen Workshop bei Jutta. Darin wurden auch die verschiedenen Stoffwechseltypen besprochen und wie eine ganz individuelle Ernährung aussehen kann. So lernte ich, dass warmes (gekochtes) Essen besser für meine Verdauung war. Bei der Erklärung zu den verschiedenen Stoffwechseltypen wurde ein einfaches Beispiel genannt: stell dir vor, dass du Speck und Ei zum Frühstück essen darfst, würdest du das wollen? Je nach Stoffwechseltyp ist die Reaktion auf diese Frage anders. (Kohlenhydrat-Typen reagieren auf diesen Vorschlag nicht begeistert, Rotfleisch-und-Fett-Typen dagegen schon). Das Wasser lief mir direkt im Munde zusammen. Das erschreckte mich, denn so etwas wollte ich eigentlich gar nicht essen. Trotzdem bekam ich Appetit darauf. Ich besprach dies mit meiner Mutter und sie bot mir an, meinen Stoffwechseltyp messen zu lassen. Die Beratung fand im November 2018 statt. Ehrlich gesagt, vermutete ich schon, was das Ergebnis sein würde, aber ich war trotzdem unvoreingenommen.
Es stellte sich heraus, dass ich den Stoffwechseltype habe, dem rotes Fleisch und Fett sehr guttun. Das schien mein Körper zu brauchen. Und das waren genau die Nahrungsmittel, die ich schon lange nicht mehr gegessen hatte.
Jutta sagte mir, dass ich mit dieser Information tun konnte, was ich wollte. Dies hieße also auch, dass ich die Beratungsvorschläge nicht umsetzen musste. Aber ich wollte es probieren. Ich wollte herausfinden, wie es sein würde, wenn ich gemäß meinem Stoffwechseltyp essen würde. Das tat ich auch. Wir verabredeten, dass ich die Tipps drei Monate lang ausprobieren würde und dann würden wir weiterschauen. Verrückt, was dann passierte. Innerhalb von zwei Tagen fühlte ich mich anders. Ich war gesättigt. Schon lange hatte ich nicht mehr gewusst, was gesättigt sein überhaupt bedeutet. Zwei Wochen später fühlte ich mich wieder voller Energie. Ich bekam meine gesunde Gesichtsfarbe zurück. Ich fühlte mich stärker und schlief besser. Nach einem Monat setze meine Menstruation wieder ein. Auch mein Körper veränderte sich. Ich bekam wieder ein gesundes Gewicht. Es kam mir vor, als ob ich wieder zu der Person wurde, die ich eigentlich bin (die Person, die ich war bevor ich Veganerin wurde). Das fühlte sich fantastisch an.
Nach der dreimonatigen “Probezeit” war für mich klar: mein Körper braucht tierische Produkte und Fett. Ich konnte nun auch akzeptieren, dass dies für jeden ganz individuell ist, und das dies nun einmal zu mir gehört.
Momentan schaue ich, wie dies genau für mich funktionieren kann – das Spannungsfeld zwischen dem, was mein Körper braucht und meiner moralischen Überzeugung ist noch da. Das ist am schwierigsten. Sowieso esse ich nur biologische Fleisch, aber das löst dieses Spannungsfeld noch nicht ganz. Ich untersuche weiterhin, wie ich dies am besten umsetzen kann, aber ich werde niemals wieder zurückfallen auf eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise.
H.J., 2019